Oder: Sind klassische Einteilungen von der Früh- bis zur Spätwinterskitour noch sinnvoll?
Als meine Skitourenleidenschaft Ende der 80ger Jahre begann, schüttelten „alten Hasen“ ihre Köpfe, wenn wir im Hochwinter (die Zeit von Anfang Januar bis Mitte Februar) auf eine klassische „Frühjahrstour“ wie die Urner Haute Route aufbrachen. Aber für Flo und mich war nicht der Kalender, sondern eine stabile Lawinenlage und gutes Wetter entscheidend … auch wenn man dann bei -20°C am Sustenhorn steht.
Mittlerweile hat sich die klassische Lehrbuch-Aufteilung in Sachen Frühwinter-, Hochwinter- und Frühjahrstouren meiner Meinung nach ganz erledigt, wie der Verlauf diese Winters wieder einmal zeigt.
Wir erinnern uns. Am ersten Dezemberwochenende versank vor allem Süddeutschland unter enormen Schneemassen. Ich war mir sicher, dass diese Unterlage den ganzen Winter auch am Alpenrand über hält. Und wurde leider eines Besseren belehrt. Dem Weihnachtstauwetter folgte im sogenannten „Hochwinter“ der laut EU-Klimadienst Copernicus wärmste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Die mittlere Januar-Temperatur 2024 war weltweit (!) um 1,66 Grad höher als die geschätzte Durchschnittstemperatur im Januar der Zeit zwischen 1850 und 1900.
Die Folge ist jetzt, zu Beginn des ebenfalls viel zu warmen „Hochwintermonat“ Februar ein so gut wie schneefreier Alpenrand. Laut wetteronline sind derzeit nur knapp 42 Prozent des gesamten Alpenraums mit Schnee bedeckt. Im Klimamittel der vergangenen 30 Jahre beträgt die Schneebedeckung Anfang Februar dagegen rund 72 Prozent. In Lagen um 1000 bis 1500 Metern Höhe ist die Schneesituation stark von der geographischen Lage abhängig. In den Nordalpen gibt es immerhin noch eine Schneedecke. Allerdings ist man mit 15 cm weit vom Klimamittel der letzten 30 Jahre entfernt (70 cm). Auf der Alpensüdseite ist es in dieser Höhenlage verbreitet schneefrei. So liegt in Kals am Großglockner auf rund 1300 Metern Höhe erstmals seit Messbeginn 1991 zu diesem Zeitpunkt kein Schnee. Am Schweizer Simplonpass liegt auf 2000 Metern Höhe so wenig Schnee wie seit mindestens 60 Jahren nicht (Diese Angaben stammen ebenfalls von wetteronline).
Besser schaut es weiter oben aus. Die Latschenzonen und auch die Spaltenzonen der Gletscher sind heuer gut eingeschneit.
Siehe auch aktuelles Bild zur den relativen Schneehöhen in der Schweiz:
Diesen Januar konnte man auf Skitour bei richtigem Timing an hoch genug gelegenen Südhängen gute Firnverhältnisse erwischen, wie sie früher für Frühjahrstouren üblich waren. Und im Gegensatz dazu kam im vergangenen Winter 22/23 der meiste Schnee am Alpenhauptkamm erst im April und Mai. Zusammen mit lebhaften Wind machte das, die früher oft gute Skihochtourensaison in diesen Spätwintermonaten von der Lawinenlage her ziemlich knifflig.
Was ich mit all dem sagen möchte? Der Klimawandel erfordert von uns Skitourengeher*innen eine größere Flexibilität in der Tourenplanung. Veraltete Ansichten davon, in welchem Wintermonat man bestimmte Touren machen soll, sind obsolet. Man muss – eine entsprechende Erfahrung vorausgesetzt – seine Traumziele am Schopf packen, wenn eben die Verhältnisse passen.
Auch im Hochwinter ist von tief verschneiten Voralpentouren, über sonnige Firntouren bis hin zu anspruchsvollen Hochtour alles möglich. Wobei man bei letztgenannten die kurzen Tage im Blick haben muss. Höhere Hütten sind zudem meist noch geschlossen, was das Rucksackgewicht bezüglich der Winterraum Übernachtung erhöht.
Und zum Schluss noch zwei „Hochwinter“ Bilder vom Wolfendorn/ Brennerberge im Januar 2023 und von der Timmelsbrücke / Subaier Alpen Februar 2023