Auch in den Hohen Tauern muss man sich wegen des tauenden Permafrostes ganz genau überlegen, welchen Berg man besteigt. Während man vom Großen Geiger besser die Finger lässt, ist der Großvenediger Nordgrat nach wie vor eine empfehlenswerte und grandiose Hochtour.
Eigentlich ist die Sache schon beim Zustieg klar. Das Stahlseil hängt ziemlich verloren über der Felskante. Die dazu gehörenden Trittbügel sind von einem gewaltigen Felsabbruch mitgerissen worden und befinden sich nun ein gutes Stück unterhalb. Wer als normaler Wanderer von der Kürsinger Hütte zur Johannishütte will, für den ist seit Ende Juli am Obersulzbachtörl Schluss. Wir legen unsere Kletterausrüstung an und überwinden dank Wolfgangs sicherer Alpin-Vorstieg-Technik den überhängenden Felsabbruch.
Zwei Stunden kehren auch wir einerseits wegen des Wetters, vor allem aber wegen des brüchigen Gesteins am Geiger Nordostgrat um. Und sind heilfroh nicht den Nordgrat gewählt zu haben, der uns noch auf der Hütte empfohlen wurde. Einen Tag später erfahren wir im Tal, dass am Geiger-Nordgrat erst Ende Juni 2024 ein Bergführer-Anwärter bei einem Ausbildungskurs von dem Felsen, auf dem er zuvor stand „quasi zermalmt“ wurde. Die Permafrost-Problematik habe extrem zugenommen. Die lokale Schwarm-Intelligenz ist zu dem Schluss gekommen: Der Große Geiger ist seit etwa zwei Jahren nicht mehr zu empfehlen.
Ganz im Gegensatz zum Nordgrat des Großvenedigers. Freilich hört man beim Gletscherzustieg auch dort immer mal wieder Felsenstürze aus Steilwänden. Doch die Gratkletterei selbst ist nach wie vor grandios und im Großen und Ganzen wenig brüchig.
Hier die genauen Infos zur gestrigen Tour: Wir haben den Nordgrat (wie nicht unüblich) ab der Meynow-Scharte begangen. Der Gletscherzustieg zu dieser erfolgte noch auf gutem Altschnee. Der Bergschrund kann derzeit noch auf Schneebrücke überwunden werden. Ab der Scharte sollte man auch im steilen und teils recht ausgesetzten III-Gelände idealerweise seilfrei klettern können, da das Sichern auf dem langen Grat sehr viel Zeit ins Anspruch nehmen würde. Die Schlüsselstelle „Böse Platte“ (IV-) haben wir hingegen gesichert. Der Grat selbst war trocken und ist komplett schneefrei.
Beim Abstieg über den Normalweg war eine gute Spur vorhanden, was angesichts des Nebels sehr hilfreich war. Bei der einen oder anderen Spalte muss man schon nach guten Schneebrücken Ausschau halten.